Kleben fördert das Zahlen- und Zählenlernen

5 Fragen an eine klebende Ergo- und Lerntherapeutin

Aug 02, 2021Julia Habermaier

Unsere Klebenswürdigkeiten sind nicht nur ein kreativer, wie schöner Bastelspaß... Die innovative Kreativtechnik hat auch einige tolle Effekte - vor allem bei Kindern! Wir haben mit einem Profi gesprochen, die sich damit auskennt: Ina Greulich aus der Ergo- und Lerntherapie, die unsere dots auch in ihrer Praxis anwendet. 

Mit ihr starten wir in unsere Interviewreihe: 5 Fragen an... 

Kurzinfo: Wer bist du? Was machst du?

Mein Name ist Ina Greulich, ich bin Mitte 50, lebe in Dresden und arbeite in Ostsachsen. Ich habe zwei erwachsene Kinder.

Ich bin Ergotherapeutin in eigener Praxis. Wir arbeiten mit Menschen jeden Alters. Ambulante Ergotherapie ist ein vom Arzt verordnetes Heilmittel – soll also Menschen mit Krankheiten oder Behinderungen helfen, dass sie ihren Alltag gut meistern können. Einen Großteil unserer Arbeit füllt die Begleitung von Kindern und ihren Familien aus.

 

1.) Wie kann man seine Kinder im Bezug auf die Feinmotorik als Eltern einfach fördern? 

Das ist ganz einfach: Lasst Kinder selber machen!

Bietet Möglichkeiten an, indem ihr, liebe Eltern, auch selber macht. Dann begeistern sich möglicherweise auch eure Kinder. Aber vor allem: nehmt den Kindern nicht ihre Alltagstätigkeiten aus der Hand, nur weil es euch zu lange dauert! Knöpfe, Reißverschlüsse, Schnürsenkel, Schnitte schmieren, Buchseiten umblättern, Karten mischen..., all die Alltagstätigkeiten sind gute Möglichkeiten zur Herausbildung der Feinmotorik und das ist besonders preiswert.


2.) Wann sollte man einen Therapeuten aufsuchen?

Zuerst: Kinder sind nicht krank, wenn sie einen gewissen Leistungsstandard nicht erfüllen und nicht jeder missglückte Versuch, etwas Feinmotorisches zu lernen, ist therapiebedürftig.

Bitte beobachtet eure Kinder genau:

  • Sehen die Versuche, die Hände zu benutzen, geschickt oder sehr ungeschickt aus?
  • Lässt sich das Kind gut auf Angebote ein, probiert aus, bringt ein Projekt voran oder vermeidet das Kind feinmotorische Tätigkeiten still oder wütend „Ich muss erstmal…“, „Mach du mal…“ oder „Ich kann das nun mal nicht…“ oder schlimmer?
  • Schaut das Kind konzentriert dahin, wo es etwas tut oder sind die Augen und die Gedanken woanders?
  • Lernt das Kind die Tätigkeiten und entwickelt sich oder gelingt das auch nach vielen Versuchen nicht?

Beobachtet die Aufmerksamkeit, Konzentration, Geduld, Ausdauer – eine Sache zu Ende zu bringen. Diese Fähigkeiten sind nicht nur für Feinmotorik, sondern überhaupt für Lernen wichtig.

 

Ein Gang zum Ergotherapeuten ist anzuraten, wenn:

  • das Kind „Hans Dampf in allen Gassen“ ist und sich nicht dazu bringen lässt, mit einem Erwachsenen gemeinsam von ca. 10 min – mit 3-4 Jahren, bis 30 min im Vorschulalter an einem Projekt zu arbeiten und sich darauf zu konzentrieren, ohne zwischendurch etwas anderes zu wollen oder zu machen und der Erwachsene es nicht schafft, sein Kind mit der Zeit dazu zu bringen.
  • die Betätigungen des Kindes sehr ungeschickt aussehen und Handlungen auch nach vielen Wiederholungen nicht gelingen.
  • das Kind selbst nicht zufrieden ist, es etwas lernen will und nicht kann.

Da Ergotherapie zu den ärztlich verordneten Heilmitteln zählt, sollte man bei Verdacht auf Entwicklungsschwierigkeiten die Sorgen mit seinem Kinderarzt besprechen.

 


3.) Helikopter- oder Rabeneltern: Wie findet man den richtigen Mittelweg? Was sollte man seinem Kind zutrauen?

Gute Bindung und Beziehung sind das A und O und die erkauft man sich nicht, sondern lebt sie.

Erster Grundsatz: Das Kind darf alles alleine machen! Eltern erlauben und ermutigen. Eltern binden ihre Kinder in die notwendigen Alltagsaufgaben ein – und zwar so geschickt, dass es kein „Muss“, sondern ein „Dürfen“ ist.

Zweiter Grundsatz: Eltern passen auf den Unfallschutz auf, d. h. z. B. sie stellen sich am Klettergerüst dazu, um notfalls ihr Kind aufzufangen, Eltern zeigen den richtigen Gebrauch von Werkzeugen und schauen bei den ersten Versuchen zu…. Dabei lernen nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern: nämlich was das Kind kann!

Dritter Grundsatz: Eltern sind Vorbilder!!!

Vierter Grundsatz: Liebe Eltern, schaut nicht so viel in Erziehungsratgeber, macht euch nicht verrückt. Die meisten Eltern haben ein gutes Bauchgefühl, sie waren ja selber mal Kinder.

Fünfter Grundsatz: Eltern sind Familienchefs, keine Freunde der Kinder.

Kinder brauchen Regeln, denn irgendwie müssen sie ja erst lernen, was richtig ist. Regeln richten sich nach den Werten, die eine Familie vermitteln will, also nach dem, was Eltern wollen, wie sich ihr Kind als Erwachsener verhalten wird. Regeln werden besprochen. Kinder können in gewissem Maß Mitspracherecht haben – sie entwickeln gerne Ideen, wie Probleme gelöst werden können. Trotzdem haben die Eltern das letzte Wort. Eltern führen ihre Kinder wohlwollend-konsequent, d. h. viel Lob, im Notfall Konsequenzen, klug, diplomatisch, vertrauensvoll, Gefühle spiegelnd.


4.) Du kennst unsere Produkte ja auch: Was fördert das Kleben bei Kindern?

  • Aufmerksamkeit, Konzentration, Ausdauer
  • Sorgfalt
  • Auge-Hand-Koordination
  • Feinmotorik der Finger
  • Phantasie, Farbempfinden
  • Arbeiten nach einer Anleitung – Arbeitsstruktur
  • Positive Emotionen – Erfolgserlebnisse, Selbstwert
  • Umgang mit Misserfolgen, falls etwas daneben geht – durch euer Papier lassen sich Korrekturen durchführen und es ist nicht gleich die ganze Arbeit futsch
  • Beziehung zwischen Kind und Bezugsperson
  • …..

 Das Kleben fördert die Feinmotorik


5.) Hast du uns ein paar Wachmach- und Ruhigermachtipps für Kinder?

Auch ganz einfach: Eltern, macht die elektronischen Medien aus. Beschäftigt euch mit euren Kindern, seid Vorbilder. Nach gemeinsam erledigter Hausarbeit gibt’s noch ein gemeinsames Spiel (anstelle von Fernsehprogramm). Ihr müsst aber nicht ständig Animateure sein – Kinder müssen sich selber beschäftigen. Sie dürfen auch gerne mal Langeweile haben – das inspiriert zu Ideen. Kinder müssen auch nicht in einem Angebot von 100 Sachen sitzen – das Kinderzimmer mal auf ein paar Spielsachen reduzieren.

Für mich war immer ein Tipp: Räumt einige Sachen weg, die, wenn sie vorgeholt werden, etwas Besonderes sind.

 

Herzlichen Dank für das nette Gespräch und deine inspirierenden, ausführlichen Antworten! 

:-) 



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